Was für bundesdeutsche Fleischesser der letzte Grillabend der Saison darstellt, ist für vom Kokaingenuss Abhängige die letzte Bahn. Je üppiger und länger die »Schneekoppen«, umso heiterer und lustiger die Nacht. Bis zum bösen Erwachen zehn oder elf Stunden später, begleitet von unaushaltbaren Geräuschen mahlender Kaffeemaschinen oder dem Zwitschern gesangswütiger Großstadtvögel. Ich suche einen Weg raus aus der Spirale, die 2014 begann und genau am 18. März 2016 endete, der Tag, an dem ich beschloss, nie wieder Drogen zu konsumieren. Seitdem sind 9 erfolgreiche Jahre vergangen.
I am officially nine years clean from drugs. That’s pretty smart, right?
Der Weg in die Abhängigkeit
Es brauchte nur einen Menschen, der mir sagte, ich arbeite zu viel.
Mach doch mal früher COB (Close Of Business).
Komm, ich zeig dir meine Lieblingsbar – in Charlottenburg, die Absetzbar.
Widerwillig sage ich zu, mag es aber nicht.
Zu viel Rauch, zu viel Getue, zu laut.
Warum sind die alle so wach?
Bin ich die Einzige, die müde ist?
Mittlerweile ist es zwei Uhr, mein Gewissen drückt.
Der Kopf fällt vor Müdigkeit fast auf den Tisch.
Die Zombies um mich herum sind immer noch hellwach.
Wir wiederholen das jetzt ein paar Mal.
Möchtest du es probieren?
Aber nur mit mir zusammen, und nur eine kleine.
Wir wiederholen das jetzt ein paar Mal.
Ist ja lustig.
Alle sind gut drauf.
Machen wir was Verbotenes?
Na und.
Wir wiederholen das jetzt ein paar Mal.
Ab jetzt immer freitags und samstags.
So schnell wird man nicht abhängig.
Ach du Scheiße, ich bin abhängig.
In der Abhängigkeit
Wer einmal drin hängt, merkt, wer noch mit drin hängt.
Ist ja krass. Hätte ich nie für möglich gehalten.
Manche sind Fake Freunde. Trotzdem haben wir Spaß.
Von gehoben (Grace Bar) bis verranzt (Kumpelnest). Niemand hält uns auf.
Kommt der Dealer bald?
Blickkontakt reicht.
50,00 €, manchmal 60,00 € oder 70,00 € wechseln den Besitzer.
Besser ich kaufe direkt zwei Gefäße.
Ist das erste leer, kommt die Unruhe automatisch.
Der Dealer wirkt wie unser persönlicher Weihnachtsmann.
Wann geht die Tür auf und er tritt in die Bar?
KOMMT DER JETZT MAL?
Geil. Er ist da. Wir sind gerettet.
Die erste ist großzügig serviert, die nächsten sind kleiner.
Die darauffolgenden länger und üppiger.
Meine Freunde aus Frankfurt sind jetzt öfter in Berlin. Alle eingeweiht.
Das Niveau steigt. In Sachen Kontakt, und in Sachen Koks.
Das Koks aus Frankfurt ist genial. Schick mir bitte einen Umschlag per Post.
Danke, ist angekommen. Nochmal aber nicht, Risiko zu hoch.
Michel, unser Immobilienmakler, ist mit am Start.
Er trägt sein Koks im Lederarmband.
Lebt gut auf – in der Nase und überall.
Schön langsam, knallt.
Im Hotel Zoo reiben wir es direkt am Tisch ins Zahnfleisch.
Später wechseln wir in meine Wohnung. Viele Stunden Hochgenuss.
Bis es hell wird. Der Absturz kommt unaufhaltsam.
Jeder Sonnenstrahl, jedes Vogelzwitschern – eine Qual.
Summertime!
Ich will nicht wach werden.
Es soll immer Nacht bleiben.
In zwei Stunden kommt meine Mutter.
Wir wollen die Wohnung abstauben.
Was soll sie von mir denken?
Wenn ich hier rumliege, zugekokst bis hinter die Stirn.
Oh Gott.
Erzählen kann ich es ihr (noch) nicht.
Einmal sitze ich im Kokstaxi. Nur eine Runde um den Block.
Lou Bega, unserem Lieferanten, kann ich vertrauen.
Das Ritual bewegt uns jedes Mal.
Zur Toilette gehen, ausbreiten, pulverisieren, einziehen.
Es beißt kurz. Dann pure Befriedigung.
Riecht metallisch. Schmeckt metallisch.
Wir benehmen uns irrational. Manchmal ernst, manchmal albern.
Immer lustig und unterhaltsam. Oft tiefgründig.
Mein Gewissen ist permanent schlecht.
Wie komme ich da wieder raus?
Südwestkirchhof, Kirche.
Erst sitzen und nachdenken.
Dann auf den Boden legen und beten.





Der Weg aus der Abhängigkeit
Prêt-à-Diner steht an. Specialzutritt für uns.
Ich möchte widerstehen!
Wirklich!
An diesem Abend schaffe ich es.
Die Gruppe fahre ich zu einem Apartment.
Barenboim steht auf einem der Klingelschilder.
Der Name sagt mir was.
In die Wallstraße kam B. einmal als Gast.
Kunstausstellung von Alejandro Gehry.
Meine Agentur hat’s organisiert.
Sein Lieblingsgetränk war Grapefruitsaft.
Chefbedienung, persönlich.
Im Apartment geht das Tablett rum.
Nein, danke. Für mich nicht.
Puh.
Bin raus für heute, viel Spaß euch.
Ich erinnere mich, was in Frankfurt war.
Silvester 2015 zum Abkoksen hingefahren.
Ein letztes Mal.
In Eleganz, Abgehobenheit und Diskretion.
Mit niveauvollen Gästen. Und meiner Clique.
Es war spitze! Unvergesslich.
Seitdem galt es.
Prêt-à-Diner war die Feuerprobe.
Bestanden.
Im März sind wir zu dritt.
Nadine, Alisa und ich.
Ich wollte widerstehen.
Eine Zeit lang geht es gut.
Dann der Gruppenzwang.
Alle drei – auf zu unserem Ritual.
Raus die Schneekoppen, reinziehen.
Wohin?
Kater Blau.
Das wird was.
11 Stunden.
Ohje.
Ein Keim ist nichts gegen mich.
Lebensgefühl: grausam
Das muss radikal zu Ende gehen.
Für immer.
Wie schwer fühlen sich Tage an?
Wie schwer fühlt sich eine Woche an?
In meinem Kopf rattert es.
Jetzt muss ich weg.
Raus aus diesem Club.
Raus aus Berlin.
Ab in die Lausitz.
Ins Seeschlösschen.
Den ganzen Tag Spa.
Dann selig einschlafen.
Von innen gereinigt.
Diese Reinigung war es.
Der Weg, den ich eisern verfolge.
Seitdem nie wieder.
Heute feiere ich – aber clean.
Danke, Gott!















