Cronemeyer gegen die Kunstfreiheit

Im Angesicht eines einzelnen Bildes, einer satirischen Fotomontage mit ästhetischen Zügen, verlieren hanseatische Richter den Blick für ihren Amtseid. Was als spöttischer und zugleich rechtsfundierter Kommentar über ein Rechtsdebakel der Rechtsanwälte Patricia Cronemeyer und Tobias Scheidacker gemeint war, ist binnen weniger Monate zum Politikum geworden. Buckminster NEUE ZEIT lässt sich davon kaum beeindrucken und stellt hier die zunächst zutreffenden, dann zunehmend divergierenden und nun vollends absurden Ergebnisse eines Rechtsstreits vor, an dem — man könnte meinen — auch die hanseatische Richterschaft selbst als Partei beteiligt ist. Ob die Fotomontage vom Recht auf Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit gedeckt ist, oder, wie inzwischen beide Gerichte meinen, nicht, mag jede und jeder selbst beurteilen.

In einfacher Sprache:

LG Hamburg am 17.10.2024: Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Die Erkennbarkeit der Antragstellerin Patricia Cronemeyer ist nicht gegeben. Außerdem liegt ein eigenes, selbständiges Werk mit erforderlicher Schöpfungshöhe und völlig anderem Gepräge vor:

„Ist die Veränderung der benutzten Vorlage indessen so weitreichend, dass die Nachbildung über Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung iSd § 23 S. 1 UrhG aF/§ 23 I 1 UrhG nF und erst recht keine Vervielfältigung iSd § 16 UrhG, sondern ein selbstständiges Werk vor, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das nach § 24 I UrhG aF/§ 23 I 2 UrhG nF ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf (zu § 23 S. 1 UrhG aF, § 24 I UrhG aF vgl. BGH GRUR 2014, 65 Rn. 36 f. – Beuys-Aktion, mwN).“

Gegen den landgerichtlichen Beschluss legte Patricia Cronemeyer sofortige Beschwerde ein und verlangte vom 7. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Richter Simone Käfer, Lothar Weyhe, Claus Meyer) Ermessensspielraum. Eine regelrechte Hass- und Hetzkampagne sei schließlich gegen sie im Gange. 🤡🤡🤡

OLG Hamburg am 04.12.2024: Oh Gott ja, unsere arme Patricia. In den Augen der Öffentlichkeit liegt natürlich eine schwere Beleidigung vor. Die Antragstellerin wird durch den LGBTQ-Anstecker und das Wörtchen „nonbinär*e“ in ihrer Sexual- und Intimsphäre verletzt, was weit über das Zumutbare hinausgeht. Wir untersagen die Fotomontage deshalb 🤡🤡🤡 Ob die Kunst- und Satirefreiheit für den Antragsgegner streitet, kann offenbleiben. 🤡🤡🤡

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts wurde Widerspruch (§ 924 ZPO) eingelegt und dieser begründet.

Parallel wurde der OLG-Beschluss, der die Fotomontage enthält, auf den Webseiten landgerichtsreport.de und schwurbelmeyer-haschisch.de veröffentlicht und der Inhalt öffentlich zur Diskussion gestellt, ebenso der erste Ordnungsmittelantrag, der zurückgewiesen wurde.

Dagegen ging Patricia Cronemeyer mit einem zweiten Ordnungsmittelantrag vor und verlangte die Verhängung eines Ordnungsgeldes in empfindlicher Höhe. 🤡🤡🤡

Am 23. Mai 2025 verhandelte das Landgericht Hamburg (Richter Kristina Feustel und Christopher Sachse) über den Widerspruch.

LG Hamburg: Die Sach- und Rechtslage wird mit den Beteiligten ausführlich erörtert. 🤡🤡🤡

LG Hamburg am 23.05.2025: Wir erkennen Frau Cronemeyer jetzt doch auf dem Bild und müssen uns fragen, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt oder großes öffentliches Interesse an der Fotomontage besteht. Dass dieser Maßstab unzulässig ist, erwähnen wir nicht. Achso ja, es handelt sich um eine Bildsatire, für die die Kunst- und Satirefreiheit streiten könnte. Über diese Freiheiten und unsere Ersteinschätzung vom 17. Oktober 2024 (eigenständiges Werk, erforderliche Schöpfungshöhe) reden wir aber nicht mehr. Dem OLG (schwere Beleidigung und Verletzung der Sexual- und Intimsphäre) wollen wir übrigens nicht folgen. Nachdem dieses Argument also wegfällt und die Abwägung nicht mehr zugunsten von Patricia Cronemeyer ausfallen dürfte (schon vorher nicht, da faktisch keine einzige Rechtsverletzung vorliegt), gehen wir jetzt erneut in die Abwägung der widerstreitenden Interessen und weisen den Widerspruch zurück. Die Fotomontage bleibt damit untersagt. 🤡🤡🤡

Halb so wild, dass wir, die unabhängigen Richter der Hansestadt Hamburg, in verbotener Willkür das Totschlagargument „zeitgeschichtliches Ereignis, Person der Zeitgeschichte, großes öffentliches Interesse“ rausgekramt haben.

LG Hamburg ebenfalls am 23.05.2025: Nee, also den neuen Ordnungsmittelantrag weisen wir auch zurück, da dieser unbegründet ist:

„Bei den unter Ziffer 3. wiedergegebenen Darstellungen handelt es sich nicht um Verstöße gegen das titulierte Verbot. Zwar wird die Fotomontage weiter bzw. neu veröffentlicht, allerdings nicht in der untersagten konkreten Verletzungsform. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich selbst die erneute Veröffentlichung des konkret angegriffenen Bildnisses in einem anderen Kontext als zulässig erweisen, da in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des abgebildeten am Schutz seiner Privatsphäre zu erfolgen hat, bei der die begleitende Wortberichterstattung eine wesentliche Rolle spielt (Korte, Presserecht, 2. Aufl. 2019, § 5, Rn. 76).“

Privatsphäre 🤡🤡🤡 In der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2025 haben wir erörtert, dass es im vorliegenden Fall nur um die Sozialsphäre geht. Die Privatsphäre der Antragstellerin ist nicht betroffen.

Das Ordnungsmittelverfahren ist allerdings auch nicht der richtige Ort, um sowas zu erörtern.

Nur so viel: Die Fotomontage könnte ja in einem neuen oder anderen Kontext zulässig sein. Sie wurde unverändert innerhalb der Schriftsätze der Antragstellerin neu veröffentlicht. Worin sich dieser neue Kontext von dem fundierten (eingangs verlinkten) Rechtskommentar unterscheiden soll, der Grundlage für die Untersagung ist, wissen wir selbst nicht. Unsere eigene Strategie hat uns dermaßen ins Gehirn geschissen, dass wir uns völlig verzettelt haben und selbst nicht mehr klarkommen. Logisch begründen können wir nichts, genau wie das OLG, dem wir den ganzen Mist überhaupt erst zu verdanken haben. Dafür haben wir jetzt 7.000 EUR Schaden zulasten des Widerspruchsführers verursacht und schlafen trotz allem noch angenehm ruhig. 🤡🤡🤡

Kommentar Buckminster NEUE ZEIT: Diese „Richter“ sind moralisch und intellektuell völlig erledigt.

Berlin, am 26.05.2025 (Almost New Moon)

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