The Invitation

2016 bekam ich von einer Berliner Juristin das Buch „The Invitation“ (by Oriah) ausgeliehen. Seither umtreibt mich die Frage, was der Unterschied zwischen menschlicher Liebe (Human Love) und bedingungsloser Liebe (Unconditional Love) ist, wie sich diese zwei Arten von Liebe anfühlen und wodurch sie sich auszeichnen. Nach all den Jahren bewussten und unbewussten (teilweise zurückerinnerten) Erlebens, sind meine Erkenntnisse und Überzeugungen darüber ein wenig gereift. Grob gesehen ist menschliche Liebe ein Gefühlszustand, und bedingungslose Liebe ein Seinszustand. Eine Addition beider Zustände ist möglich, aber auch ein voneinander getrenntes Erleben.

Bedingungslose Liebe ist die höchste zu erreichende Frequenz, in die sich unsere Seele und unser Geist hochschwingen können. Diese Liebe auszudrücken ist kein Lernprozess, sondern ein Entdecken ohne Anleitung. Das, was wir in uns tragen, legen wir frei. Ein Erwecken, wenn man so will. Auch die umgekehrte Richtung ist Realität, nämlich ein Wiederzuschütten und Wegschließen.

Zunächst sind es weltliche Verstrickungen, Probleme, Sorgen und Ängste, die mich davon abhalten, die hohe Frequenz bedingungsloser Liebe zu erreichen und zu halten. Ein dauerhaftes Halten ist nach meiner Überzeugung aber auch nicht möglich, denn ununterbrochene Hochs wären das Unnatürlichste der Welt, was sich ja (eine Analogie suchend) bereits im Wetter zeigt.

Liegt meine Frequenz im Tal, und nehme ich meine Mitmenschen überwiegend als feindlich, belastend oder bösartig wahr, ist es an der Zeit Abstand zu nehmen und mich aus eigener Kraft wieder hochzuschwingen. Das geht am besten an einem Ort, den ich noch nicht kenne, und dem ich vorurteilsfrei begegnen kann. Wohin die Reise geht, entscheidet sich im Einzelfall nur Stunden vorher. Bei der Recherche fallen plötzlich alle positiven Aspekte zusammen. Sonntag wird zu Samstag und Montag ist der neue Sonntag. Das freie Zimmer in dem Haus, das mein Interesse geweckt hat. Meine Mutter, die zum ersten Mal seit sechs Jahren bereit ist, ihre Ängste zu überwinden und ganz alleine in meinem Haus auf dem Friedhof zu übernachten, mit allem, was an Verantwortung für die häusliche Ordnung, Tier(e) versorgen, Blumen, Pflanzen und Beete wässern dazugehört. Da die meisten meiner Nachbarn tot sind, und nicht jede(r) X-Beliebige Zugang zum Haus erhält, bedarf es in der Regel einer Vorplanung, oder, wie in diesem Fall, eines entspannten Familienmitglieds.

Was ich auf meinem Kurztrip sehen und erleben werde, ist eine Mischung aus Ambiente, Entspannung, Lesen, neues Wissen aufnehmen und ein bisschen Geschichte dazulernen, überraschende Entdeckungen, kleine Wunder, die untergehende Sonne über dem See (ohne Häuser im Sichtfeld), italienische Gastfreundschaft, ein Husqvarna Mähroboter, den ich fotografieren möchte, weil er so sexy aussieht und mich an ziemlich coole Hosenträger erinnert, ein Baum voller Botschaften über die Liebe, zwei Heranwachsende, bei denen die Frequenz buchstäblich gestimmt hat.

Zuerst ein Abstecher in ehemalige SED-Gefilde:

Mehr Schein als Sein – die ernüchternde Realität in der geheimnisumwitterten Waldsiedlung

„Durch die Sicherheitsvorkehrungen drangen nur wenige Informationen über das Leben in der Siedlung nach draußen. So bildeten sich im Volk Ideen von märchenhaften Villen mit goldenen Wasserhähnen. Der vermeintlich luxuriöse Lebensstil sowie die räumliche Abschottung trugen zur Entfremdung zwischen der Regierung und den Bürgern bei. Die SED-Funktionäre und ihre Familien hatten fast alles, wovon der normale DDRler nur träumen konnte: ein vielfältiges Angebot an frischem Obst und Gemüse im Ladenkombinat, Westwaren per Katalogbestellung, ein privates Klubhaus mit Konzertsaal, Schwimmbad, Sauna, Kino und Restaurant. Im Vergleich zum Westen war der Lebensstil in der vom Volk als „Bonzenhausen“ und „SED-Ghetto“ betitelten Waldsiedlung Wandlitz dennoch ernüchternd. Statt Prunk herrschte kleinbürgerliche Spießigkeit. Die zweistöckigen, grauen Wohnhäuser von Erich Honecker sowie den anderen Funktionären boten zwar viel Platz, waren ansonsten jedoch einfach und schmucklos gebaut. Auch die zwischenmenschliche Atmosphäre innerhalb der Siedlung war unterkühlt: Man hatte kaum Kontakt zu den Nachbarn und besuchte sich nur in Ausnahmefällen. Nachdem alle SED-Funktionäre bis Ende Januar 1990 ausziehen mussten, wurde das Gelände umgestaltet und für jedermann zugänglich. Entlang der heutigen Hauptachsen Brandenburgallee und Kurallee entstanden Unternehmen, Betreuungseinrichtungen sowie die Brandenburgklinik Berlin-Brandenburg, welche den Großteil des Areals einnimmt. Die bestehenden Wohnhäuser wurden saniert, vermietet und durch neue Gebäude ergänzt.“

When the word is Love

„Die LOVE HATE Skulptur ist ein Ambigram, welches sich spiegelbildlich lesen lässt. Von der einen Seite liest man LOVE, betrachtet man das Werk im Spiegel, liest man HATE. Die Skulptur der deutschen Konzept- und Performancekünstlerin Mia Florentine Weiss, die in über zwanzig Städten gezeigt wurde, ist ein Symbol für einen Perspektivwechsel und zählt mittlerweile zu den meist fotografiertesten Kunstwerken im öffentlichen Raum. Mit ihm ist es gelungen, die Hoffnungen und Ängste einer Zeit dramatischer gesellschaftlicher und politischer Umbrüche in einem signifikanten Werk zu verdichten, das gleichzeitig offen bleibt für die jeweils persönliche Sicht seiner Betrachterinnen und Betrachter. Die Künstlerin trägt ihr „two-word poem“ seit dessen gedanklicher und künstlerischer Entstehung mit weißer Tinte eingebrannt auf ihren beiden Handgelenken – eine Transformation von Werkschaffender und ihrem Werk! Es ist zu wünschen, dass dieses starke Zeichen mit seinen vielschichtigen formalen und inhaltlichen Facetten ebenso die Welt erobern wird, wie es einst das „Ein-Wort-Gedicht“ von Robert Indiana tat.“

Noch eine dritte Botschaft

Auf dem parkähnlichen Areal stehen LOVE und HATE Ableger des berühmten Kunstwerkes von Mia Florentine Weiss. Ich bin erstaunt, da ich die Installation dort nicht erwartet habe. Neben Liebe und Hass fällt mir als dritte Gewalt das Geld auf, denn das H von Hate bzw. das e von Love erinnern an das €-Zeichen. Die Beziehung zum Geld ist nicht selten ambivalent. Viele Menschen verfolgt das Gefühl, dass sie (viel) Geld nicht verdient haben (im Sinne von es nicht wert sein, peinlich berührt sein, vom schlechten Gewissen heimgesucht, eine ungesunde Beziehung zum Geld pflegend), dass ein hoher Verdienst oder Vermögen ihnen sogar schaden würde. Die ablehnende Haltung führt in der Regel dazu, dass das Geld nicht zu diesen Menschen kommt. Das Spannungsfeld aus Liebe, Hass und Geld fällt mir auf, ohne es jedoch weiter kommentieren zu wollen.

I use two languages to get my thoughts to the point (mine):

Was aus meiner Sicht die menschliche Liebe ausmacht, habe ich zweisprachig ausgedrückt.

Zwei Heranwachsende am Bahnhof mit einem Eis in der Hand

Erst als ich um das Bahnhofsgebäude herum ging und zwei junge Menschen (13, max. 15) mit einem Eis entdeckte, fiel ich in mein Potential zurück. Ich sprach sie an und bat um Auskunft über das Eis, woher sie es hätten. An sich keine große Sache. Vielleicht war es die Art, mit der sie (ernst gemeint) um Hilfe gebeten wurden. Ihre Auskunft war in diesem Moment wichtig – ihr Wort zählte. Da ich Kinder und Heranwachsende nur „bedingt“ mag bzw. sympathisch finde, was diese in der Regel auch merken, sofern es überhaupt jemals zu einer Interaktion kommt, wollte ich bei diesen beiden jungen Menschen etwas anders machen. Ihnen offen und zugewandt begegnen, von innen heraus strahlend. Und so kam es, dass sich beide Heranwachsende gesehen und wertgeschätzt fühlten, sie mir Optionen aufzeigten, an welchen Orten in der Nähe es überall Eis zu kaufen gibt, das Mädchen sogar überaus motiviert eine Einschätzung darüber abgab, wo das Eis besonders gut sein soll und warum, was die Besonderheiten in bzw. an dem Laden sind, den sie mir empfahl. Von dem Moment an spürte ich einen Reset in meiner Seele, der es mir erlaubte alle Menschen an diesem Tag mit liebenden Augen zu sehen, was diese auch merkten und an mich zurückgaben, ohne meine Erwartung. Ich denke darauf kommt es an.

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