Pressekammer

Buckminster NEUE ZEIT war heute Beobachter von Verhandlungen der 27. Kammer am Landgericht Berlin Tegeler Weg. Holger und Mika, beide hochsensibel, folgten der Hauptsache im Einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen Georg Friedrich Prinz von Preußen, für ihn Rechtsanwalt Markus Hennig, und dem Verein von Journalist und Demokratieaktivist Arne Semsrott.

Ist das digital???

Der Verhandlungstag begann um 10:30 Uhr mit den Richtern Holger Thiel (als Vorsitzender), Ri’inLG Dr. Saar sowie Ri’in Koslowski. Für den Antragsteller erschien Markus Hennig (Kanzlei ARTEJURA), der Antragsgegner Arne Semsrott kam in persona und für ihn der Syndikusanwalt der FragDenStaat/Open Knowledge Foundation, RA Philip Hofmann. Angegriffen und streitgegenständlich sind Teile dieses Artikels, tituliert mit „Der braune Adel und die Nazis: Wir veröffentlichen die Briefe von Kronprinz Wilhelm an Hitler“. Der Artikel soll u.a. den Eindruck geleakter Dokumente erwecken, was nach unserer Auffassung schon nicht zutrifft, weil diese Schriften theoretisch für jeden einsehbar im öffentlichen Archiv hinterlegt sind. FragDenStaat hat sich aber die Mühe gemacht, diese zu sammeln und zu veröffentlichen. Ähnlich verhielt es sich, als wir vor 3 Jahren Nachforschungen zu einem unserer Lieblingsgebäude in Berlin anstellten, vorrangig ist Mika dazu ohne große Hürde ins analoge Landesarchiv Berlin eingetaucht. Das einzige, was man für derartige Nachforschungen oder Recherchen braucht sind Zeit und Muße (Archivalien zu Wallstraße 84/85, Haus Lademann).

In ihrem Artikel über die Rolle der Hohenzollern im Nationalsozialismus bedauern die Antragsgegner dünn besiedelte öffentliche Quellen (z.B. das Bundesarchiv, aus dem sie die Briefe übernommen haben) und weisen auf Privatarchive der Hohenzollern hin, die aus ihrer Sicht aufgrund des Zugangs eine Problematik darstellen sollen. Dazu führten sie ursprünglich aus: „Die Quellenlage ist ein weiteres Problem: … liegt ein großer Teil des Nachlasses in Privatarchiven der Hohenzollern, die nicht öffentlich zugänglich sind.“, „Eine unabhängige Forschung zu den Hohenzollern ist also kaum möglich, weil ein großer Teil des adligen Besitzes nicht enteignet wurde.“ Semsrott & Co. wurden daraufhin von Rechtsanwalt Markus Hennig abgemahnt (ein Teil der Dokumente ist öffentlich einsehbar). Die Szenerie bauschte sich zu einer vom Gericht erlassenen Einstweiligen Verfügung mit Widerspruch, mündlicher Verhandlung und Hauptsacheverfahren auf. Letzteres am heutigen Tag abgehalten, und nicht gerade zum Vorteil der Antragsgegner, die spür- und sichtbar ungehalten und emotional betroffen, ja sogar diskreditierend gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Prinzen reagierten. Buckminster NEUE ZEIT schaut aber nicht nur auf das Parteienverhalten, sondern lässt auch Reaktionen der Kammer auf sich wirken. Die menschliche Interaktion und damit verknüpfte Lerneffekte finden wir hochspannend. Für FragDenStaat wird es im Verhandlungsverlauf mehr oder minder beschämend, als der Prozessbevollmächtigte ausführt, die in Richtung der Familie Hohenzollern unterstellte restriktive Haltung hinsichtlich des Zugangs zu Privatarchiven würde man bereits darin begründet sehen, dass eine aus Antragsgegnerkreisen gestellte Anfrage zur Gewährung des Zugangs zu den Archiven größtenteils negativ beantwortet blieb. Dabei scheiterte die Anfrage aber zunächst daran, dass im vergangenen Jahr, also in einer sehr unübersichtlichen Zeit der Pandemie, der Zugang lediglich vertröstet wurde, die Absage also nur eine aufschiebende Wirkung entfaltete. Der Antragstellerseite wurde hingegen böse Absicht unterstellt, dem Tenor von RA Hofmann entnehmen wir, dass u.a. die Pandemie wohl einen vorgeschobenen Grund für die Absage darstellen sollte. Das ist kurz, wenn nicht sogar vorsätzlich pessimistisch gedacht. Am Ende der Verhandlung hat die Open Knowledge Foundation mit ihren konstruierten Einwänden keine Chance, sie scheitert vor der Kammer. Punktsieg für Markus Hennig. Der Erste von Fünfen an diesem Tag.

Buckminster NEUE ZEIT sorgte an Ort und Stelle für eine Disruption, unbeabsichtigt natürlich, denn Holger entschied sich für spontane Fotoaufnahmen mit der Leica. Dazu hätte es aber einer Genehmigung des Gerichts bedurft. Dem Anwalt, der bereits für den nächsten Fall im Verhandlungssaal zugegen war, fiel die Kamera auf. Er gab den Richtern Handzeichen und bewirkte damit eine vom strengen Ton geprägte Intervention mit Löschungsaufforderung. Die Antragsgegner rund um Semsrott polterten direkt los und unterstellten uns armfuchtelnd, dass wir ja im Auftrag von Markus Hennig gekommen sein müssen. Holger hält dagegen und lässt den Vorwurf abblitzen. Im ersten Moment erschrecken wir zwar, aber man bringt uns innerlich zum freundlichen Lachen. Die Dokumentare sind plötzlich in die Verhandlung einbezogen, so viel Chaos auf so wenig Platz.

© Buckminster NEUE ZEIT, Foto von Markus Hennig MC.N Photography, Fotos MC.N von Holger Werth, Notizen Mika C. Nixdorf, „Der Typ mit dem Bart“ von Holger Werth, Fotos Holger Werth von MC.N mit der FujiXT2