Ansprache zum Neuen Jahr

Fürchtet euch nicht, denn ihr dürft tun, was ihr wollt. Unsere äußeren Rechte mögen dieser Zeiten eingeschränkt sein – wir haben aber noch die inneren, und deshalb geht es uns gut. Wir können denken, was wir wollen. Wir können entscheiden, wie wir wollen. Wir können Geist und Körper trainieren, wann immer uns danach behagt. Wir können dankbar sein. Nein, wir sollten dankbar sein. Für viele Selbstverständlichkeiten, die eigentlich keine sind.

Middle English neue, from Old English neoweniowe, earlier niwe „made or established for the first time, fresh, recently made or grown; novel, unheard-of, different from the old; untried, inexperienced, unused“.

Dankbarkeit wärmt unsere Seele. Das Herz freut sich regelrecht, wenn wir dankbar sind. Unser ganzer Tagesablauf könnte eine Ode an die Dankbarkeit sein. Ergeben darüber, wer wir sind, wo wir stehen und was wir hinzugewinnen können. Kein Tag gleicht dem vorigen, keiner gleicht dem nächsten. Tage sind Chancen, sind Einzigartigkeiten – sie sind der unwiederbringliche Ausdruck göttlicher Kraft.

Haben Sie heute schon mit Ihrem Bett gesprochen? Vielleicht fangen Sie gleich damit an. Würdigen Sie Ihr Bett für seine Existenz, für die Gemütlichkeit und Wärme, die es Ihnen schenkt, ohne etwas dafür zurückhaben zu wollen. Tun Sie das Gleiche mit Ihrem Fahrzeug, und wenn Sie keines haben, mit Ihrem Fahrrad. Dass es rollt, lenkt, bremst, Sie an Orte trägt, die Sie erreichen möchten. Bedanken Sie sich bei der Kerze, die für Sie brennt.

Verbringen Sie Zeit mit Ihrem Körper. Er ist ein vollkommenes Wunderwerk. Er atmet für uns, er sieht und spricht. Er lässt uns hören, wahrnehmen und tiefe Emotionen spüren. Danken Sie Ihren Füßen, Ihren Beinen, Ihren Armen und Fingern. Für ihre Beweglichkeit und die Abläufe nach Ihren Vorstellungen. Schicken Sie Trost zu denen, die schweres Schicksal oder Pech erleiden und die einfachsten Dinge nicht mehr (erledigen) können. Welch unglaubliche Intelligenz wirkt in unserem Körper? Denken Sie bewusst darüber nach.

Wenn Sie wütend auf jemanden sein wollen, seien Sie wütend. Sie werden deswegen kein schlechterer Mensch sein. Seien Sie nicht höflich der Höflichkeit wegen. Brechen Sie mit Etiketten. Leben Sie die Bandbreite Ihrer Gefühle und vergessen Sie das schlechte Gewissen. Wenn Sie kein Fleisch mehr essen wollten und sich nach Fleisch sehnen, essen Sie Fleisch. Überprüfen Sie die Quelle, woher Sie das Fleisch beziehen und danken Sie dem Tier, dass es für Sie sein Leben gelassen hat. Seien Sie ambivalent.

Wenn Sie drogenabhängig sind und damit aufhören möchten, machen Sie eine radikale Kehrtwende. Seien Sie geduldig mit sich und sprechen Sie kein Urteil über ihre eigene Schwäche. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Weihen Sie im Gedanken jemanden ein, vor dem Sie sich schämen oder fürchten. Wenn Sie zurückschrecken, tun Sie es. Offenbaren Sie sich. Rechnen Sie nicht mit Verurteilung oder Verlassenwerden. Vertrauen Sie Ihrer Eingebung und der Situation. Rechnen Sie mit Unterstützung und großer Erleichterung.

Wenn Sie kein Tagebuch schreiben möchten, tun Sie es nicht. Überlegen Sie sich Alternativen, wenn Sie geneigt sind, Ihre Erlebnisse, Gefühle und Gedanken speichern zu wollen. Sie könnten einen handlichen Abreißkalender besorgen und täglich darin niederschreiben. Die Blätter reißen Sie ab, hängen Sie sie mit einem Klebestreifen auf, am Jahresende fügen Sie alles in einem Buch zusammen. Machen Sie dieses Ritual täglich und kontinuierlich. Staunen Sie darüber, wie prosperös Sie Ihr Jahr gelebt haben.

Wenn Sie etwas Neues beginnen wollen, tun Sie es. Große Schritte oder Sprünge werden Ihnen nicht abverlangt sein. Was sollten Sie auch auf einer Leiter wollen, bei der die nächste Sprosse so hoch hängt, dass Sie sie nicht erreichen würden? Machen Sie realistische Schritte. Gehen Sie in Ihrer eigenen Langsamkeit.

Wenn jemand Sie nach Ihrer Arbeit fragt, erzählen Sie das Gegenteil oder erfinden Sie einen Mythos. Lügen Sie mit einem Lächeln. Sie müssen nicht über Ihre Arbeit sprechen, wenn Sie nicht wollen.

Wenn Sie in der Stadt ein umgestoßenes Vehikel sehen, helfen Sie ihm hoch. Denken Sie nicht darüber nach, wie jemand Sie dafür beäugt. Vielleicht sind Blicke und Gedanken von Fremden positiv? Sie werden innerlich gelobt, erhalten unausgesprochenen Respekt für Ihre Hilfe. Wissen Sie es? Fragen Sie nach, wenn Ihnen danach ist. Starten Sie einen Dialog.

Ersetzen Sie das Wort >>müssen<<. Ersetzen Sie noch andere Worte, die Ihnen missfallen.

Seien Sie ehrlich. Halten Sie sich die Treue, auch wenn Sie anderen damit untreu oder unbequem werden.

Seien Sie jeden Tag der Mensch, der Sie wirklich sein wollen.

Hören Sie auf, anderen zu gefallen. Seien Sie unverstellt.

Glücklich.

Sie selbst.

Aamen (fi.)

© Buckminster NEUE ZEIT, Berlin, am 03. Januar 2021, Bildrechte: KYKY Pictures