Generalstaatsanwaltschaft Berlin

Ende März und Anfang April dieses Jahres berichteten wir über unser Engagement im Fall Hildmann. Der Geflüchtete ist bis heute nicht zurückgeführt, die Generalstaatsanwaltschaft berief sich gegenüber Medien immer wieder auf die angebliche und potentiell hinderliche doppelte Staatsbürgerschaft (deutsch/türkisch) von Attila Hildmann, ohne diese seriös nachgewiesen zu haben. Dieser Frage wollten wir nachgehen und sind über vier Monate hinweg, also bis einschließlich Juli 2021, auf hohe festgebaute Mauern gestoßen. Über mehrere Stationen wurde uns die zulässige Auskunft verweigert, Widersprüche mittels fadenscheiniger Argumente abgeschmettert. Was wir in Berlin für zivile Personen ohne großen Bekanntheitsgrad, eine schlüssige Begründung vorausgesetzt, binnen weniger Tage bekommen, nämlich die erweiterte Melderegisterauskunft, wurde uns in Brandenburg zielgerichtet erschwert und durch mutmaßliche Kumpanei zwischen den Dienststellen außergerichtlich unmöglich gemacht. Die begehrte Auskunft wurde am Ende einer längeren Kette nicht erteilt, ein Nachweis erfolgte von offizieller Stelle somit nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin darf also weiterhin nachweislos behaupten, dass der entwischte Holocaustleugner aufgrund der Staatsbürgerproblematik nicht zu fassen ist bzw. zu fassen gewesen wäre. Damit stellt sich die Generalstaatsanwaltschaft selbst ein Alibi aus – interessant zwar, aber höchst undemokratisch. Was wir im Zuge diverser Anstrengungen in Berlin/Brandenburg alles erlebt haben, zeigt der heutige Artikel. Bereits im April war uns klar, dass sich Attila Hildmann zeitlich ca. Mitte März zunächst seine Geburtsurkunde in die Türkei schicken ließ.

Update Nov. 2022 (Zu der Behauptung, Attila Hildmann werde international von Europol oder Interpol gesucht): https://www.buckminster.de/dear-interpol

Die Problematik ist insgesamt nicht so leicht zu durchdringen bzw. zu beantworten. Auch das Anonymous Kollektiv setzt sich fortlaufend mit der Frage nach den Staatsangehörigkeiten auseinander und hält wie folgt fest:

„Attila musste gegenüber der Türkei nachweisen, dass er türkischer Abstammung ist. Dafür benötigte er Urkunden. Da durch die Adoption auf seiner Geburtsurkunde die Hildmanns als Eltern ausgewiesen sind, benötigte er andere Papiere. Hierfür bekam er einen Auszug aus dem Geburtsregister. Dort nämlich sind seine leiblichen Eltern vermerkt, die beide Türken sind. Damit konnte er gegenüber dem türkischen Staat seine türkische Abstammung nachweisen. Dieses Verfahren hat er jetzt angestoßen, wie er sagt. Attila ist also für die Türkei ein Türke, wenn die seine Abstammung anerkennt. Was wohl noch aussteht, denn das Verfahren läuft noch, an dessen Ende bekommt er einen türkischen Pass. Die deutsche Staatsbürgerschaft hat er durch Adoption. Insofern hat Attila tatsächlich zwei Staatsbürgerschaften, allerdings nach unterschiedlichen Rechtsnormen der beiden beteiligten Staaten. Was bleibt: das Zeitfenster. Und das ist der Punkt, um den es uns eigentlich geht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat vielleicht nicht “gelogen”, als sie davon sprach, dass Attila Hildmann zwei Staatsbürgerschaften hat oder haben könnte. Aber vielleicht hat sie dennoch was verpennt. Hätte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin etwas bewirken können, wenn sie die Auslieferung eines deutschen Staatsbürgers beantragt, während der türkische Staat noch nicht weiß, dass es sich auch um einen türkischen Staatsbürger handelt bzw. die Abstammung von türkischen Eltern noch nicht anerkannt war? Hätte sie es einfach mal darauf ankommen lassen können im März? Denn die Urkunden zum Nachweis seiner Abstammung erhielt Attila erst sehr spät in diesem Jahr.“

Die deutsche Staatsbürgerschaft hat er durch Adoption. Insofern hat Attila tatsächlich zwei Staatsbürgerschaften, allerdings nach unterschiedlichen Rechtsnormen der beiden beteiligten Staaten.

Briefe

Nach der Ablehnung des originären Antrags durch die Gemeinde Wandlitz legten wir Widerspruch ein. Daraufhin meldete sich die Gemeinde Wandlitz erneut per Schreiben bei uns, mit dem sie u.a. darauf hinwies, dass wir dieses (oder das erste) Schreiben nicht veröffentlichen dürfen. Spaßvögel gibt’s.

Wir schickten Briefe an das Rathaus und den Bürgermeister von Wandlitz. Als Antwort erhielten wir eine (inzwischen eingestellte) Strafanzeige wegen Nötigung. Spaßvögel gibt’s. Auf die Zuschrift der Polizei antworteten wir mit einer unterlassenen Auskunft zu Personendaten („müssen Sie selbst recherchieren“) und schrieben in den Betreff „Brotige Brote im Brotbackofen“. Es dauerte Wochen, bis unser Widerspruch in Barnim überhaupt registriert und zur Kenntnis genommen wurde. Mit Schreiben vom 14. Juni 2021 meldete sich der „Sachgebietsleiter Öffentliche Ordnung“ Erik Masch und teilte mit:

In der im Betreff genannten Angelegenheit bestätige ich Ihnen zunächst den Eingang des Vorgangs in meiner Behörde. Der Sachverhalt sowie die ergangene Entscheidung werden nun mehr geprüft und schnellstmöglich abschließend bearbeitet. Ich bitte von zwischenzeitlichen Sachstandsanfragen Abstand zu nehmen.

Mit leichtem zeitlichen Versatz beehrte uns Dirk Feuerberg, Leitender Oberstaatsanwalt in Berlin, mit seiner Aufklärungsabsicht. Über das Geschlecht seines Gesprächspartners hatte sich Herr Feuerberg zuvor gründlich informiert:

Wir werfen einen Blick auf das Bundesmeldegesetz (BMG) § 45:

(1) Soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird, darf zu den in § 44 Absatz 1 genannten Daten einzelner bestimmter Personen eine erweiterte Melderegisterauskunft erteilt werden über

1.
frühere Namen,
2.
Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat,
3.
Familienstand, beschränkt auf die Angabe, ob verheiratet oder eine Lebenspartnerschaft führend oder nicht,
4.
derzeitige Staatsangehörigkeiten,
5.
frühere Anschriften,
6.
Einzugsdatum und Auszugsdatum,
7.
Familienname und Vornamen sowie Anschrift des gesetzlichen Vertreters,
8.
Familienname und Vornamen sowie Anschrift des Ehegatten oder des Lebenspartners sowie
9.
Sterbedatum und Sterbeort sowie bei Versterben im Ausland auch den Staat.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2021 meldete sich Erik Masch (Landkreis Barnim, Öffentliche Ordnung) erneut bei uns und teilte auf 4 Seiten mit, aus welchen Gründen die begehrte Auskunft nicht erteilt werden kann. Um seine Behörde vorder- und hintergründig abzusichern, hatte sich Erik Masch einigermaßen viel Mühe mit der Begründung gemacht. Die Begründung kann aber im Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, dass die begehrte Auskunft zu erteilen gewesen wäre.

Den wesentlichen Schriftverkehr stellen wir hier bereit.

Erik Masch erklärte: Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Absatz 1 BMG – hier die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses, liegt nicht vor. […] So wäre es mit dem § 45 BMG nicht vereinbar, wenn allein der pauschale Hinweis auf eine Pressetätigkeit jedwedes Auskunftsbegehren begründen könnte. […] Die Ausübung eines Internetjournalismus unterfällt nach hiesiger Auffassung ebenfalls diesen Anforderungen. […] Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt wurde zu Recht entschieden, dass ein Anspruch auf Erteilung einer erweiterten Melderegisterauskunft nicht besteht. Sie konnten kein berechtigtes Interesse an der von Ihnen beantragten Melderegisterauskunft glaubhaft machen. Der Widerspruch wird daher als zulässig aber unbegründet zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stellte in seinem Beschluss vom 28. Mai 2018 zutreffend und vergleichbar fest:

Der Antragsteller hat zudem hinreichend glaubhaft gemacht, warum er die Angaben für seine Recherche benötigt, er ermittelt also nicht völlig „ins Blaue hinein“. Es ist der auskunftspflichtigen Stelle bzw. dem Gericht zwar nicht möglich zu bewerten, ob die erbetene Auskunft zu sinnvollen Ergebnissen führen kann, jedoch muss die im Einzelnen begehrte Auskunft jedenfalls in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem angegebenen Rechercheziel stehen, das letztlich das öffentliche Informationsin­teresse begründet.

Vgl. z. B. VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011- 26 L 1431/11 VG Gelsenkir­chen, Urteil vom 25. Juni 2014- 4 K 3466/13-, Rn. 52, sowie Beschluss vom 27. Oktober 2016 – 4 L 2130/16 -, jeweils juris.

Dabei ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen, Verdacht hin recherchiert, ja dass es geradezu Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen. Bloße Vermutungen sind häufig Ausgangspunkt des Auffindens erheblicher Tatsachen. Ist eine publizistisch geeigne­te Information zu erwarten, wenn sich die Vermutung als zutreffend erweist, dann ist mit der Darlegung dieser Vermutung auch das Informationsinteresse hinreichend be­legt.

BVerfG, Beschluss vom 28. August 2000 – 1 BvR 1307/91 -, Rn. 30; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. November 2015 – 5 C 15.2318 -, Rn. 23; jeweils juris.

Unser Fazit: Der Behördenstrang hat rechtsirrig und absichtlich falsch argumentiert, um die begehrte Auskunft aktiv verhindern zu können. Es liegt in der Natur der Sache, dass die vermutete Ungereimtheit bzgl. der Staatsangehörigkeiten einer ordentlichen Aufklärung zugeführt werden muss, wenn ernstliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der beanstandeten Behauptung bestehen. Die Aufklärung in der Sache hätte nämlich sehr wahrscheinlich ein zeitliches Vakuum aufgedeckt, aus dem hervorgegangen wäre, dass Attila Hildmann zum heiklen Fluchtzeitpunkt in die Türkei noch keinerlei türkische Staatszugehörigkeit hätte nachweisen können. Ob eine bloße Aufenthaltsgenehmigung das Auslieferungsinteresse überwiegen konnte, ist offenbar nicht geklärt. Somit wäre er prinzipiell auslieferungspflichtig gewesen; dazu hätte man ihn allerdings mit ernster Absicht verfolgen und finden (lassen) müssen. Nichts dergleichen ist geschehen. Noch bevor der Landkreis Barnim zu seiner Absage nebst falscher Begründung kam, sind wir der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg aufs Dach gestiegen und schrieben, wie meistens, wenn uns etwas aufregt, äußerst liebenswert:

DIGITALSCHREIBEN
Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg

Doktor Andreas Behm (Generalstaatsanwalt)
Steinstraße 61
14776 Brandenburg an der Havel

Attila Hildmann
Verweigerung der Erteilung einer erweiterten Melderegisterauskunft

Sehr geehrter Herr Kollege Doktor Behm,

mit heutigem Schreiben wenden wir uns direkt an Sie und bitten um Aufklärung des folgenden Phänomens: Unser Unternehmen erhielt auf begründete Anfrage die erweiterte Melderegisterauskunft einer zivilen Person, die nicht sonderlich in der Öffentlichkeit steht (Anlage K1). Originär zuständig ist das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten in Berlin, Abteilung Personenstands- und Einwohnerwesen. Unser Unternehmen erhielt auf begründete Anfrage keine erweiterte Melderegisterauskunft für eine Person des öffentlichen Lebens. Relevant ist hierbei die Überprüfung der Staatsangehörigkeit. Öffentlich wurde behauptet, Attila Hildmann würde sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft aufweisen können, seriöse Belege gibt es dafür nicht. Wer hat hier bei Wikipedia abgelesen und wer verhindert den Nachweis über die behaupteten Staatsbürgerschaften, an denen es berechtigte Zweifel gibt? Originär zuständig ist nach hiesiger Einschätzung die Gemeinde Wandlitz, die sich quer stellt und die Auskunft verweigerte (Anlage K2). Mit ziemlich unverschämter und konstruierter Begründung. Warum werden kluge Menschen für dumm und naiv verkauft? Können Sie sich das erklären? Dem sofortigen Widerspruch (Anlage K3) wurde nicht abgeholfen, der Vorgang stattdessen an das Ordnungsamt Landkreis Barnim abgegeben, das sich plötzlich zuständiger fühlte als die Gemeinde selbst (Anlage K4). Komisch, dass die Gemeinde Wandlitz Zahlungen für erweiterte Melderegisterauskünfte entgegennimmt, dann aber gar nicht mehr zuständig sein möchte. Können Sie sich das erklären?

Die lustige Frau Wegner der Gemeinde Wandlitz fuchtelte zu allem Überfluss noch mit dem Zepter der Datenschutzgrundverordnung vor unserer Nase herum und ging offensichtlich davon aus, dadurch eine Veröffentlichung ihres Karnevalschreibens verhindern zu können.

Der Kollege Erik Masch, Sachgebietsleiter Öffentliche Ordnung Landkreis Barnim, brauchte geschätzte 1,85 Monate, um zunächst den Eingang unseres Widerspruchs zu bestätigen (Anlage K5). Sachstandsanfragen verbittet sich der seriöse Kollege aber. Können Sie sich das erklären?

Am 04. Juni 2021 wenden wir uns schriftlich an die Kollegen Koppers und Feuerberg in Berlin (Anlage K6). Mit Datum vom 11. Juni 2021 meldet sich Kollege Dirk Feuerberg bei uns. Dies mit einem hingerotzten Schreiben, das vor Fehlern und Unordnung nur so strotzt (Anlage K7). Mit unserer Replik vom 16. Juni 2021 monieren wir diese Zuschrift (Anlage K8). Können Sie sich das alles erklären?

Kollegin Koppers wollte gar nichts aus der Richtung berechtigte Anfragen/Bürgerauskunft hören oder sehen und hat jegliche Kommunikation ignoriert bzw. unbeantwortet gelassen. Können Sie sich das erklären?

Können Sie überhaupt irgendetwas davon erklären?

Polemik

„Vergessen ist, dass Polemik als Stilmittel besonders Kritikwürdiges angreift. Polemik zeigt Leidenschaft, bedingt sprachliche Schärfe und stilistische Kunst. Polemik tut weh, weil sie intelligent und ein wenig boshaft ist. Große Polemiker sind gut zu lesen – besser als die Texte der Gegenkritik, die blutleer daherkommen, konstruktiv sind, aber Leidenschaft vermissen lassen.“
Man soll an seine Schriften keinen Essig tun. Man soll Salz hineinstreuen (Montesquieu)
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Letzte Fassung vom 08.12.2021
1.) Im Zuge des Briefwechsels durften wir lernen, dass das Wort „kollegialiter“ nicht allein stehen kann. Das war in früheren Briefen falsch gesetzt. Zutreffend könnte es zum Beispiel heißen, „es wird kollegialiter darum gebeten“.
2.) Ob die kleine Revision im Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Abt. Personenstands- und Einwohnerwesen) etwas mit dem Schreiben an die GStA Brandenburg zu tun hatte, können die Verantwortlichen hinter den Kulissen besser beantworten als wir.
3.) @Kollege Doktor Behm: „Sie sind mir eine Schnarchnase […]“